Philosophische Probleme der Handlungswissenschaften und im Besonderen der Sozialarbeitswissenschaft

Wissenschaftliche Disziplinen sind voll von philosophischen Problemen. Diese sind teils allen wissenschaftlichen Disziplinen gemeinsam [→], teils sind sie spezifisch. So ist der Begriff des Lebens ein Begriff der Biophilosophie, jener des Geistes ein Begriff der Philosophie der Psychologie und jener der Gesellschaft ein Begriff der Philosophie der Sozialwissenschaften.

Während die philosophischen Probleme der Basiswissenschaften seit 100 Jahren von professionellen Philosophen im Rahmen einer renommierten philosophischen Disziplin, der Philosophie der (Basis)Wissenschaft, untersucht werden, steckt die Philosophie der Handlungswissenschaften, wie der Stand der Philosophie der Medizin zeigt  [→], noch in den Kinderschuhen

Die Themen der Handlungswissenschaften sind über Beschreiben, Erklären und Prognose der Basiswissenschaften hinaus des weiteren: Diagnose Werte, Probleme, Ziele, Pläne, (wirksame); Handlungen, professionelle Handlungen

  1. Ontologie: Das Individualismus-Holismus-Systemeismus- sowie das Idealismus-Dualismus-Materialismus-Trilemma und im Besonderen die Beziehung zwischen Individuen und sozialen Gebilden; das Naturalismus-Problem, das Körper-Geist- Problem; das Problem der Willensfreiheit; Kausalität und kausale Wirkungen von Handlungen;
  2. Erkenntnistheorie: Erkennen und Wissen, Repräsentations- und Wissensformen, Theorie des Alltagserkennens und -wissens; Selbstbewusstsein;
  3. Axiologie: Werttheorie (→ Bedürfnisbegriff; Werte von Professionen und der Sozialen Arbeit im Besonderen);
  4. Philosophie der Wissenschaft: Wissenschaftsbegriff,  Verstehen und Erklären;
  5. Praxeologie: Verhalten und Handlung; Handlungstypen, im Besonderen individuelle und kollektive Handlungen, praktische Probleme; Allgemeine normative Handlungstheorie, im Besonderen Diagnose und Behandlungsplan; Integration der Problem des Verhältnisses von Theorie und Praxis;
  6. Methodologie: Natur und Verhältnis qualitativer und quantitativer Methoden; 
  7. Ethik: Probleme der Metaethik: Utilitarismus, Moralischer Realismus; Ethische Probleme professionellen Handelns;
  8. Politische Philosophie: Macht, Herrschaft, Legitimation, Gerechtigkeit, Menschenrechte

Die philosophischen Probleme der Sozialarbeitswissenschaft sind über weite Strecken identisch mit denjenigen jener Handlungswissenschaften, die sich mit Krisen innerhalb des menschlichen Lebens beschäftigen und deren Wissen damit von Professionen genutzt wird.

 

In der Medizin setzte sich - nach einer sich über 200 Jahre erstreckenden langsamen Abkehr von der Säftepathologie - im 19. Jahrhundert   die moderne, wissenschaftsbasierte Solidarpathologie durch. Es vergingen nochmals gut 100 Jahre, bis sich mit der Medizin-Theorie und Medizin-Philosophie systematische Ansätze einer Systematischen Analyse der phiosophischen Probleme der modernen Medizin entwickelten. Der enorme medizinische und kommerzielle Erfolg der modernen Medizin dürfte dabei ein wichtiger Grund sein, weshalb die Entwicklung von metatheoretischen Fragestellungen, der keine unmitttelbare pragmatische Funktion zukommt, sich kaum durchzusetzten vermag.

 

Die Hypothese, die dem SPSA zugrundeliegt besagt, dass in der Sozialarbeitswissenschaft eine systematische Bearbeitung der metatheoretischen Probleme der Sozial- und der Handlungswissenschaften eine notwendige, wenn auch nicht hinrichende Bedingung für die Entwickling der Disziplin sind. Belege finden sich in der 100jährigen, sich in der Diskussion um Vorfragen der Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Sozialarbeitswissenschaft erschöpfenden Vorgeschichte der Sozialarbeitswissenschaft, die sich gegenwärtig auch noch innerhalb der Disziplin fortsetzt.

 

Nach dieser Vorstellung gäbe es zwei Entwicklungspfade von Handlungswissenschaften, je nachdem, ob die Entwicklung von einem philosophiefern entwickelten technologischen Wissen ausgeht oder eine solche Entwicklung erst im Zuge der Klärung metatheoretischer Probleme möglich wird.