Profession
1. Soziale Arbeit als Profession
Von Sozialer Arbeit wird gesagt, sie sei eine Profession, eine Semiprofession, keine Profession oder auch sie sei nicht einmal professionalisierbar. Fest steht, dass Professionalisierung ein nachhaltiges Ziel der Sozialen Arbeit war und noch immer ist. Das spiegelt sich z.B. darin, dass sich viele Sozialtätige Professionelle nennen und wie auch etwa darin, dass im Code of Ethics des Schweizerischen Berufsverbandes durchgehend von der Profession der Sozialen Arbeit, von Professionellen und von professioneller Sozialer Arbeit gesprochen wird.
Fest steht auch, dass die Antwort auf die Frage nach dem Niveau der Professionalisierung der Sozialen Arbeit (oder irgend einer anderen Profession) vom Professionsbegriff abhängt, mit dem ihr erreichter Stand beschrieben wird. Aus der Sicht des wissenstheoretischen Professionsbegriffs des SPSA sind Professionelle dadurch charakterisiert, dass sie wissenschaftsbasierte Methoden zur Bearbeitung der praktischen Probleme verwenden, auf deren Verhinderung, Linderung oder Lösung sie gerichtet sind. Als wissenschaftsbasierte Methoden gelten dabei Verfahren, die wirkungssicher sind und deren Wirkmechanismus bekannt ist.
Gemessen an diesem Ideal ist die Soziale Arbeit weit davon entfernt, eine Profession zu sein, doch ist sie auf dem Wege dorthin.
Bemerkenswert an diesem Professionsverständnis ist, dass auch die Profession par excellence, die Medizin, bei weitem nicht zufriedenstellend professionalisiert ist und dass die Probleme, die sich ihr damit stellen, erst in jüngerer Zeit - namentlich im Zusammenhang mit ihrer Auseinandersetzung mit der überwiegend pseudowissenschaftlichen Alternativmedizin
[1] - innerhalb der Medizin wie auch öffentlich vertiefter diskutiert werden. [1] "Schulmedizin" und "Komplementärmedizin" sind Ausdrücke der Alternativmedizin, der erste ist eine Herabsetzung, der zweite ein Euphemismus.)
2. Professionalisierung
Das SPSA ist ein handlungswissenschaftlicher Beitrag zur Professionalisierung (vgl. unten, Pkt 1) und das integrative Curriculum der Abt. VSA der Hochschule für Soziale Arbeit ist ein Modell der Lehre systemistischen Professionswissens (Pkt 2).
Richtung und Geschwindigkeit des Professionalisierungsprozesses hängen von den Entwicklungen in den vier institutionellen Bereichen der Sozialen Arbeit (und weiteren Bereichen) ab, die sich gegenseitig verstärken oder abschwächen können, nämlich
- von der Entwicklung professionellen Wissens im Rahmen der Sozialarbeitswissenschaft (disziplinärer Aspekt der Professionalisierung)
- von der Qualität der Vermittlung professionellen Wissens im Rahmen geeigeneter Ausbildungsgänge (personeller Aspekt der Professionalisierung)
- von der Konsistenz der Professionspolitik der Professionellen und von der Professionalisierung und Professionsverbände, d.h. von der Entwicklung und Nutzung organisationeller Macht im Dienste der Schaffung und Erhaltung professioneller Arbeitsplätze (professionspolitischer Aspekt der Professionalisierung)
- von der Sozialpolitik, d.h. von der Schaffung und Gestaltung eines professionalisierten Sozialwesens (sozialpolitischer Aspekt)
Will die Soziale Arbeit den gegenwärtigen Prozessen ihrer institutionellen Schwächung durch den individualistischen Ökonomismus etwas entgegensetzen (Pkt 3), setzt dies einen geteilten Begriff Sozialer Arbeit und davon ausgehend einen Konsens über den positiven Wert der Professionalisierung voraus. Vieles weist darauf hin, dass diese Voraussetzung innerhalb der Profession nur unzureichend erfüllt sind, was mit erklärt, dass ihre Gestaltungskraft (Pkt. 3) – im Unterschied zu jener anderer Professionen – bisher gering geblieben ist.
Auswahl von SPSA-Texten
Staub-Bernasconi, S. (1999). "Professionalität in der Sozialen Arbeit." Stöber(8): 1-5.
Staub-Bernasconi, S. (2000). ""Dritte Wege" für eine "Neue soziale Arbeit" im dritten Jahrtausend. Sozialpolitik als soziale Wirtschaftspolitik." SozialAktuell 18(1).
Obrecht, W. (2005). Interprofessionelle Kooperation als professionelle Methode. Referat gehalten an der Fachtagung der Hochschule für Soziale Arbeit "Soziale Probleme und Interprofessionelle Kooperation 21./22. Oktober. Stettbach (Dübendorf bei Zürich).
Staub-Bernasconi, S. (2005). "Was heisst Professionalität der Sozialen Arbeit in der Psychiatrie?" Symposium "Gesichter der Sozialen Arbeit in der Psychiatrie gestern-heute-morgen". Jubiläum "150 Jahre Psychiatrie" – 1855-2005 – Waldau gestern – heute –morgen der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD)13. Mai 2005, Klinik Waldau, Bern.
Staub-Bernasconi, S. (2005). "Deprofessionalisierung und Professionalisierung der Sozialen Arbeit - gegenläufige Antworten auf die Finanzkrise des Sozialstaates oder Das Selbstabschaffungsprogramm der Sozialen Arbeit." Vortrag gehalten an der Veranstaltung des Netzwerkes Neue Soziale Arbeit am 30. November 2005 im Volkshaus in Zürich.