Sozialarbeitswissenschaft (SAW) - Soziale Arbeit als Disziplin
1. Sozialarbeitswissenschaft: SAW (oder Wissenschaft Soziale Arbeit) ist eine im deutschsprachigen Raum mittlerweile an den meisten Fakultäten etablierte Disziplin, die sich mit dem gesamten Spektrum an Fragestellungen der Sozialen Arbeit als Disziplin, Ausbildung, Profession und Praxis befasst [1]. Sie wurde 2001 durch die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz als Fachwissenschaft anerkannt, während sie in vielen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern (z. B. USA, Canada) schon seit Jahrzehnten als eigenständige wissenschaftliche Disziplin gilt und über zahlreiche Lehrstühle und Forschungsvorhaben verfügt.
2. Gegenstand und Problematik der SAW
21 Der Gegenstand der SAW im weiten Sinne ist die Soziale Arbeit; dabei können drei umfassende Fragebereiche unterschieden werden
- Die primäre Fragestellung der SAW betrifft in der Entwicklung der handlungswissenschaftlichen Grundlagen für die professionelle Soziale Arbeit. SAW ist dementsprechend eine Handlungswissenschaft wie die Medizin oder die Psychiatrie (Gegenstand und Problematik im engen Sinne).
- Das handlungswissenschaftliche Kernproblem ist dabei die Frage nach der Beziehung wissenschaftlichen Theorien und der „Praxis“ (Verhältnis von Theorie und Praxis).
- Eine dritte Frage gilt der Beziehung der SAW nach aussen, zur Gesellschaft im Allgemeinen und vor allem zu den relevanten Institutionen (z.B. Medien) und anderen Akteuren wie dem Staat (Sozialpolitik, Bildungspolitik), den anderen Professionen (Professionalisierung, Interprofessionelle Kooperation) und zur wachsenden Zahl von Arbeitsfeldern.
22 Der sozialarbeitswissenschaftliche Gegenstand im engeren Sinne sind Individuen, verstanden als Komponenten sozialer Systeme und soziale Systeme mit Individuen als Komponenten; die Problematik der SAW sind Probleme der befriedigenden Einbindung von Individuen in die (Struktur der) Sozialen Gebilde, deren freiwillige oder unfreiwillige Mitglieder sie sind und die im Hinblick auf eine befriedigende Einbindung der Komponenten angemessene Struktur sozialer Systeme. (vgl. auch Montreal-Definition der Sozialen Arbeit)
3. Paradigmatische Fragmentierung: SAW ist, wie etwa die Soziologie, eine 'multiparadigmatische' Disziplin und existiert entsprechend mehr als eine disziplinäre Selbstbeschreibung. Paradigmen der SAW sind Konzeptionen der Sozialen Arbeit, die sich in der Art der Schwerpunktbildung in den genannten Fragebereichen (vgl. Pkt. 2) wie auch darin unterscheiden, mit welchen theoretischen Mitteln sie ihr thematisches Profil bearbeiten. (Unterschiedliche theoretische Mittel ergäben auch dann unterschiedliche Paradigmen, wenn die Konfiguration der Fragestellungen identisch wären.)
- das Tübinger Alltags-Paradigma (Thiersch)
- das Bielefelder Paradigma reflexiver Professionalität (Dewe /Otto)
- das emergentistisch-systemtheoretische oder Zürcher Paradigma (Staub-Bernasconi/Obrecht et al.)
- die systemtheoretisch-konstruktivistischen Paradigmen (Bommes und Scherr; Kleve; Hosemann; Kraus und andere)
- die Paradigmen gelingenden Lebens, und der Lebensführung u.ä. (Böhnisch; Sommerfeld und andere)
4. Gesichtspunkte der Beschreibung der SAW: Die Disziplin der SAW kann unter einer Reihe von Gesichtspunkten näher charakterisiert werden, so namentlich (1) unter dem Gesichtspunkt ihres Status als Handlungswissenschaft; (2) anhand der Art der praktischen Probleme, die sie bearbeitet; (3) anhand der Art der Bearbeitung der Probleme; (4) in Bezug auf ihre Bezugswissenschaften; (5) im Hinblick auf ihre paradigmatische Fragmentierung (Pkt 3); (6) im Hinblick auf den Grad ihrer Integration und Konsolidierung; (7) im Hinblick auf die fachlichen und praktischen Probleme der Disziplin. (Für Details vgl. → Sozialarbeitswissenschaft)
[1] http://www.webnetwork-nordwest.de/dokumente/kerncurriculum.pdf