(Die) Praxis

Für das Alltagsdenken ist «Praxis» der Gegensatz zu «Theorie», während Theorien im engeren Sinne die Grundlage für die Entwicklung professioneller Verfahren wie auch zur Erstellung sozialer Diagnosen sind, in deren Rahmen es zur Auswahl und Anwedung von Verfahren der Problembearbeitung kommt[1].

«Praxis» ist im Rahmen einer Handlungstheorie gleichbedeutend mit «Handeln» und Handeln wird, von Reflexen abgesehen, von (wahrem ode falschem) Wissen gesteuert. Dieses kann, wie im Falle von Routinehandlungen, implizit, d.h. nicht bewusst sein oder (teilweise) bewusst, wie im geplanten Alltags- und beruflichen oder im professionellen Handeln. Während das handlungsrelevante bewusste Wissen im Alltagshandeln aus Beschreibungs- Erklärungs- und Prognosewissen in Termini von wenig systematisierten Klassifikationsbegriffen (Individual- und Klassenbegriffen) und Aussagen über Wirkungszusammenhänge (in der Regel ohne konkrete Wirkmechanismen) besteht sowie aus Wertwissen und aus Faustregeln und Kann-, Soll- und Mussnormen, stützt sich professionelles Handeln auf systematisches meta-, objekt-, und handlungswissenschaftliches Wissen mit Beschreibungs-, Erklärungs-, Prognose- und Bewertungsfunktionen sowie Planungs- Steuerungs und Überwachungsfunktionen. Kurz, professionelle Praxis ist jene Form des Handelns, in der wissenschaftliches Wissen in systematischer Weise genutzt wird, während Alltagshandeln von nicht bewusstem Wissen gebrauch macht.

Der  Begriff 'Praxis' wird in der "Praxis" allerdings nicht nur zur Bezeichung von Handlungen, sondern auch für die Bezeichnung der institutionellen oder genauer: organisationellen Kontexte praktischen Handelns verwerdet, z.B. für die sozialen "Institutionen" (Organisationen) innerhalb des Sozialwesens, innerhalb denen Soziale Arbeit als eine besondere Form von problemlösendem Handeln (Praxis) erfolgt. D. "Professionelle Praxis" ist professionelles Handeln, d.h. Bearbeiten von praktischen Problemen einer gegebenen Art mit den Mitteln wissenschaftsbasierter, d.h. wirkungssicherer und in ihrem Wirkmechanismus verstandenen Verfahren.

  • "Die Praxis" (mit bestimmtem Artikel) einer bestimmten Profession meint den "institutionellen" oder besser organisationellen Rahmen, innerhalb dessen entpsrechendes professionelles Handeln realisiert werden kann.
  • Eine "professsionalisierte Praxis" der Sozialen Arbeit ist ein Sozialwesen, in dem Stellen mit Sozialarbeitsfunktionen a) so definiert sind, dass sie nach professioneller Sozialer Arbeit verlangen oder diese zumindest ermöglichen und in dem b) diese Stellen auch mit Professionellen besetzt sind.

 

[1] Grund für die verbreitete Konfusion des Alltagsdenken ist, dass dieses seine eigene Natur nicht versteht und im Besonderen nicht die Rolle, die die verschiedenen Formen von Wissen bei der Erzeugung von Handlungen zukommt. Mit anderen Worten:  Im Alltagsdenken, dem natürlichen Modus ist, in dem menschliche Gehirne ticken, verstehen wir die Rolle des Gehirns im Rahmen der Erzeugung unserer Selbst- und Umweltbilder nicht, da uns dieses zwar laufend solche Bilder erzeugt, dabei jedoch den Vorgang dieser Bilderzeugung selber nicht zeigt. Dies mit dem Ergebnis, dass wir unsere Warhnehmungswelt für der Realität halten - eine (implizite) Auffassung, die in der Erkenntnistheorie als naiver Realismus bekannt ist.

 

Literatur SPSA

Obrecht, W. (2002). "The Social Poverty of Social Work: Soziale Arbeit und ihre gesellschaftlichen und institutionellen Umwelten. Makrosoziologische Themen zur Soziologie der Sozialarbeitswissenschaft und der Sozialen Arbeit." Hochschule für Soziale Arbeit Zürich.

Andere

Maeder, C. and E. Nadai (2002). Die öffentliche Sozialhilfe zwischen Armutsverwaltung und Sozialarbeit - Eine soziologische Untersuchung sozialstaatlicher Intervention. Kurzfassung zuhanden des Schweiterichen Nationalfonds.

Maeder, C. and E. Nadai (2004). Professionalität unter den Bedingungen des Sozialamtes: Sozialarbeit in der öffentlichen Sozialhilfe. Professionelle Leistung - Professional Performance. H. Mieg and M. Pfadenhauer. Konstanz, UVK Universitätsverlag Konstanz: 147-166.   

Nadai, E. (2005). "Der kategorische Imperativ der Arbeit. Vom Armenhaus zur aktivierenden Sozialpolitik." Widerspruch. Beiträge zu sozialistischer Politik. Heft: Prekäre Arbeitsgesellschaft.(49): 19-27.